Hannibal hat vor kurzem in Rivarol (22. Mai
2014) einen bemerkenswerten Artikel über die Tragödie veröffentlicht, die
Europa von 1914 bis 1945 erlebt hat.
Zurückhaltend betitelt „De la
guerre en Europe“ (Über den europäischen Krieg), ist dieser Artikel mit
einer Zeichnung von Chard illustriert, auf der eine junge Europäerin aus der
Zeit von 1914 zu sehen ist, die mit einer Hand den Arm eines französischen
Soldaten stützt, der ihr mit einer Pistole auf ihre rechte Schläfe zielt, und
mit ihrer anderen Hand den Arm eines deutschen Soldaten hält, der ihr mit einer
Pistole auf ihre linke Schläfe zielt. Diese junge Europäerin ist einverstanden.
Sie möchte sterben. Die Überschrift lautet: „1914
suicide d’Europe“ (Europäischer Selbstmord 1914). Man bemerkt, mit
welchem tiefgründigen Wissen und mit welch breitem Horizont Hannibal diesen
„kollektiven Selbstmord“ beschreibt und daraus eine Bilanz zieht, die ihn
aufwühlt.
In einem Unterabschnitt erwähnt er Hannelore Kohl, geb.
Renner, die Frau des vormaligen deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl.
Im Gedenken an diese unglückliche Frau möchte ich
meinerseits kurz innehalten. Vor drei Jahren war es mir ein Anliegen, auf die
Verbrechen der Sieger von 1945 hinzuweisen, und zwar in einem Text, den ich mit
der Überschrift versah: „Die Siege des Revisionismus
(Fortsetzung)“. Damals schrieb ich :
Wenn man die
Verbrechen gegen das deutsche Volk im Auge behält, in Form des Luftkrieges zur
Auslöschung der Zivilbevölkerung, der Deportationen (Umsiedlungen genannt) der
Deutschen aus Ost- und Mitteleuropa, wenn man dazu die Massenvergewaltigungen
der deutschen Frauen und Mädchen hinzufügt (unter anderen von Hannelore Kohl im
Alter von 12 Jahren, der späteren Frau des Kanzlers, vgl. Heribert Schwan, Die
Frau an seiner Seite / Leben und Leiden der Hannelore Kohl, München,
Wilhelm Heyne Verlag, 2011, S. 54-58), wenn man sich die Plünderungen
vergegenwärtigt, die offizielle Wegnahme durch die Alliierten von Geld, Gold,
Platin, Schmucksachen, Wertpapiere, von Privateigentum, von Banken, Museen,
wissenschaftlichen oder industriellen Patenten, und – um das Ganze zu krönen –, wenn
man sich vergegenwärtigt, daß der Prozeß in Nürnberg gegen die deutschen Führer
es verdiente, eine Maskerade zu heißen, oder nach dem Ausspruch von Harlan
Fiske Stone, Präsident des obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten (Chief
Justice of the Supreme Court of the United States), eine „high-grade
lynching party“ (eine hochgradige Lynchpartie), dann kann man es nur als
schändlich empfinden, daß man nunmehr seit 66 Jahren an unseren Schulen,
Universitäten und Medien nicht davon abläßt, daß während des letzten
Weltkrieges die Sieger das Gute und die Besiegten das Böse repräsentiert
hätten.
Um nochmals auf die Tragik von Hannelore Kohl
zurückzukommen, könnte man auf das verweisen, was ich aus einem – ausnahmsweise
vertrauenswürdigen – Artikel von Wikipedia entnahm:
Während des letzten Kriegswinters 1944/1945 mußte sie als
Elfjährige jede zweite Woche Bahnhofsdienst leisten. Nach Döbeln kamen Züge mit
Verwundeten von der sowjetischen Front, denen Hannelore und andere Schüler die
Verbände wechselten. Sie half beim Bergen von Toten und bei der Versorgung von
Flüchtlingen, die teilweise wochenlang bei Minusgraden in offenen Waggons
unterwegs gewesen waren. Einige der Säuglinge waren erfroren. Hinzu kamen
Bombenangriffe mit Personen- und Sachschäden.
2
Nach gleicher Quelle hat sich
Hannelore Kohl am 5. Juli 2001 im Alter von 68 Jahren selbst das Leben
genommen. Während der 1990er Jahre hatte ihr Ehemann ein Verhältnis mit einer
wesentlich jüngeren Frau begonnen, die im Jahre 2008 seine zweite Ehefrau werden sollte. Während ihrer
letzten Lebenszeit litt Hannelore Kohl an unerträglichen Schmerzen. Zusätzlich
„hatte sie eine Lichtallergie und konnte das tagsüber abgedunkelte Haus nur
nach Sonnenuntergang verlassen“. Ihr Sohn Peter hatte eine Türkin geheiratet.
Ein deutsches Schicksal, wie man wohl
sagen kann.
Die deutsche Seele töten
Hannibal beschließt seinen Artikel mit der Erinnerung an
ein anderes Schicksal, an das des kürzlich verstorbenen Maurice Comte, dem Jean
Plantin in den ‚Editions Akribeia’ das bemerkenswerte Büchlein Une vie
sous le signe du Führerprinzip (Ein Leben unter dem Führerprinzip) (168 S.,
15 € + 5 € Porto) widmete. Ein Werk, das man lesen sollte, über das man
nachdenken sollte, genauso wie über die Gedanken, die es bei Hannibal
hervorrief, nämlich daß es eine Zeit gab, wo man von einem Gegner noch als
menschlichem Wesen sprechen konnte. Hier war der Gegner ein sowjetischer
Offizier. Auch innerhalb der Roten Armee konnte man sich in diesem Fall
ausnahmsweise gegenüber dem Besiegten als einen menschlichen Bruder verhalten,
der vom Schicksal geschlagen war. Bei den Siegern konnte sich Haß und
Rachedurst frei ausleben, das Vergeltungsfieber und das, was man später die „Pflicht
zur Erinnerung [in einer Richtung]“ nennen würde. Bei vielen jedoch blieb noch
ein tieferes Bewußtsein dafür, daß wir alle im wesentlichen nur bemitleidenswerte
Kreaturen sind, die in den Kriegswirren zu einem Teil das gute, und zum anderen
Teil das schlechte Los gezogen haben. Wie Hannibal dagegen zurecht bemerkt, „scheint
es so, als ob wir heute in einen kalten, nachmenschlichen, aufgezwungenen,
künstlichen, erlernten – aber ewigen – Bürgerkrieg eingetreten sind“. Und er
fügt folgende richtige und treffende Bemerkung hinzu: „[ewig] wie ein
schlechter Wikipedia-Artikel, der von allen Dummköpfen auf der Welt geglaubt
wird“.
Inmitten der europäischen Tragödie liegt und bleibt die
deutsche Tragödie. Zur Tragödie Deutschlands gesellt sich die verbissene Wut der
gegenwärtig waltenden Herrscher und Intellektuellen, mit der diese die deutsche
Vergangenheit in schwärzester Farbe schildern bis hin zu dem Exzeß, diejenigen grausam zu strafen, welche
es wagen, diese Vergangenheit in historischer Genauigkeit zurechtzurücken. Die
deutsche Seele zu töten: das
scheint die Mission zu sein,
welche sich diese Elenden zur Aufgabe gemacht haben. Unzweifelhaft könnte man sagen, Hitler war ein
Unglück für sein Vaterland, wie Napoleon es für das Seine gewesen ist. Während
jedoch für den „Unmenschen“ Napoleon die Übertreibungen und Lügen der
Sieger-Propaganda nur einige Jahre des XIX. Jahrhunderts andauerten, schweigt
die Flut irrsinniger Behauptungen im Falle des „Verrückten“ oder des
„schändlichen Untiers“ des „Nazismus“ noch immer nicht seit Ende des
Zweiten Weltkrieges, das heißt nach 69 Jahren! Zumindest nicht
in den Medien, denn was die
Historiker betrifft, scheint die Zeit für einen Beginn von Besonnenheit
gekommen, besonders dank der Entwicklung des Internets. Man beachte in diesem
Zusammenhang „La magique
chambre à gaz nazie en voie de disparition chez les historiens (suite)“ (Die
wundersame Nazi-Gaskammer auf dem Weg ins Nichts bei den Historikern
(Fortsetzung),
30. April 2014.
22. Mai 2014